Dr. med. Udo Böhm

Blog Post

Wertigkeit von "Evidenz" im Alltag

  • von Udo Böhm
  • 26 Mai, 2018

Für den selbstkritischen und umsichtigen Mediziner stellt sich immer wieder die Frage, ob die vielgepriesene Evidenz der universitären Medizin im klinischen und praktischen Alltag bestehen kann. Dies ist eine schwierige Frage, die man natürlich nur an Hand der aktuell anerkannten Fakten beantworten kann. Ich will versuchen, das am Beispiel eines oral zu verabreichendem Medikaments aufzeigen, für das sich in RCT‘s (randomisierten kontrollierten Studien) eine signifikante Evidenz ergeben hat.

Damit sich diese „signifikante“ Evidenz auch am Klienten auswirken kann, muss folgendes geschehen.

1. Der Patient muss das Präparat einnehmen

Nach aktuellen Veröffentlichungen nehmen z.B. in der Onkologie bis zu 84 % aller Patienten ihre Medikamente nicht ordnungsgemäß ein (1, 2). Ähnliche Zahlen gibt es auch für andere Bereiche der Medizin

2. Das Präparat muss absorbiert werden

Störungen der Funktion des Magen-Darm-Kanals sowie von Leber und Pankreas, die mit Störungen von Verdauung, Resorption und Entgiftungsfunktion einhergehen, sind leider sowohl bei scheinbar Gesunden als auch bei Kranken häufig. Sie können dort unabhängig von den zu therapierenden Krankheiten, abhängig von den zu therapierenden Krankheiten oder sogar auf Grund der jeweiligen Medikation auftreten.

Genaue Zahlen über die Häufigkeit dieser Störungen sind leider trotz intensiver Recherche nicht eruierbar. Einen ungefähren Anhalt geben beispielsweise Aussagen, wonach 69 % der Bundesbürger unter Magen-Darmbeschwerden leiden (3), wonach sich bei 50-60 % der Morbus Bechterew-Patienten Entzündungszeichen im Darm finden (4) und wonach bei 80 % der Patienten nach Therapie mit NSAR Mukosaschäden auftreten. Ähnliche Verhältnisse dürften bei anderen chronischen Erkrankungen vorliegen, wie bei Krebs, Diabetes, rheumatischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen usw., insbesondere unter Einnahme von Medikamenten.

Bei vorsichtiger Schätzung sollte also mindestens jeder zweite Bürger von einer der o.g. Störungen betroffen sein …..

3. Der Patienten dürfen nicht mehr als 5 verschiedene Medikamente einnehmen

Die Wirkungen und Interaktionen bei mehr als 5 eingenommenen Medikamenten sind nicht mehr überschaubar (5) – und die Einnahme von mehr als 5 Medikamenten ist häufig (insbesondere im Alter).

4. Die Patienten müssen jung sein

Wegen Veränderungen im Stoffwechsel inklusive einer nachlassenden Leistungsfähigkeit von Leber und Niere, werden Pharmaka bei älteren Patienten häufig nicht mehr korrekt verstoffwechselt und können ihre Wirkung nicht korrekt entfalten.

5. Das Medikament muss für diesen Patienten geeignet sein

Berücksichtigt werden müssten z.B. ein individueller Biorhythmus und individuelle Genpolymorphismen. Zudem müsste die Evidenz auch für das Geschlecht und das jeweilige Alter des Patienten (z.B. für Kinder) nachgewiesen sein.

 

Wenn Sie diese 5 Punkte anerkennen, müssten Sie sich allen Ernstes fragen, was dann noch von der „signifikanten“ Evidenz übrigbleibt.

Denken Sie bitte als Therapeut über diese Argumentation nach und fragen Sie als Patient beim nächsten Besuch Ihren Arzt oder Heilpraktiker, ob ich Recht haben könnte und was er dazu zu sagen hat.

Ihr Udo Böhm


 Quellen:

1. Neckermann K, Schinköthe T; Fehlende Therapietreue und Möglichkeiten der Steigerung; Forum 2018;2;140

2. Foulon V et al.; Patients adherence to oral anticancer dtrugs: an emerging issue in modern oncology; Acta clin Belg 2011; 66;85-96

3. www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=58420

4. www.bechterew.de/?id=1085

5. Siegmund-Schultze N; Polypharmakotherapie im Alter - Weniger Medikamente sind oft mehr; Deutsches Ärzteblatt 2012; 109,9.420;

6. Ehsanullah RS et al.: Prevention of gastroduodenal damage induced by non-steroidal anti-inflammatory drugs: controlled trial of ranitidine; Brit. Med. J. 1988, 297, 1017

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